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Der Sonderbundskrieg  November 1847


Vorgeschichte

Anlass für den Krieg war die Gründung des so genannten Sonderbundes durch die konservativ regierten, katholischen Kantone Luzern, Schwyz, Uri, Zug, Ob- und Nidwalden, Freiburg und Wallis. Ziel des Bundes war die Abwehr der von den liberalen Ständen geduldeten Freischarenzüge gegen konservativ regierte Kantone und die Verteidigung des katholischen Glaubens gegen die liberalen, mehrheitlich reformierten Kantone.

Die Badener Artikel

Als Folge der Julirevolution 1830 zerbrach die durch die Restauration vermeintlich fest gefügte konservative Macht in der Schweiz. In zwölf Kantonen wurden während der sog. Regeneration die Verfassungen im Sinne der Liberalen umgestaltet. Dadurch geriet die bisher praktizierte Einvernehmlichkeit von Kirche und Staat in Gefahr, da eine zentrale Forderung des Liberalismus darin bestand, die Kirche der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und insbesondere den Einfluss der Kirche im Erziehungswesen zurückzudrängen. Dies weckte vor allem im katholischen, aber auch im reformierten Klerus Widerstand. Die katholische Kirche war tendenziell stärker betroffen, da die Eingriffe der Kantone in das Kirchenleben eine direkte Konkurrenz der päpstlichen Macht darstellten. Den Katholiken sagte man damals nach, sie seien direkt von Rom gesteuert und bezeichnete sie deshalb als „Ultramontane“.

Am 20. Januar 1834 beschlossen die Kantone Luzern, Bern, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, St. Gallen, Aargau und Thurgau in einer Konferenz in Baden die Badener Artikel, um die staatlichen Ansprüche gegenüber der katholischen Kirche durchzusetzen. In St. Gallen scheiterte die Durchführung 1835 aber in einer Volksabstimmung, Bern trat ebenfalls 1835 infolge der Erregung im katholischen Jura von den Beschlüssen zurück.

Der Putsch in Zürich (Züriputsch)

In Zürich kam es zu einer konservativ-reformierten Auflehnung gegen die liberale Regierung, als 1839 der Verfasser des umstrittenen theologischen Werkes «Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet», David Friedrich Strauss, an die neugegründete Hochschule berufen wurde: Ein Bauernhaufen rückte am 6. September in die Stadt Zürich ein und erzwang den Sturz der liberalen und die Einsetzung einer konservativen Regierung.

Die Konservative Wende in Luzern

In dem bisher freisinnigen Luzern erlangten die von Josef Leu und Constantin Siegwart-Müller geführten Ultramontanen am 1. Mai 1841 bei einer von ihnen ins Werk gesetzten Verfassungsrevision den Sieg. Dadurch ermutigt, forderten sie von der Tagsatzung, dass der Kanton Aargau gezwungen werde, die im Januar 1841 aufgehobenen Klöster des Kantons wiederherzustellen. Der Aargau wehrte sich gegen den Entschluss, und als sich die Tagsatzung am 31. August 1843 mit dem Anerbieten Aargaus zufrieden erklärte, der erwähnten Forderung nur hinsichtlich der vier Frauenklöster nachzukommen, vereinigten sich die Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Wallis und Freiburg im September 1843 zu dem Beschluss, sich von der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu trennen, wenn die Aargauer Klöster nicht vollständig wiederhergestellt würden.

Die Berufung der Jesuiten und der Freischarenzug

Blutbad in Malters/LU 01.April 1845

Die gewaltsame Niederwerfung der Liberalen im Wallis durch die Ultramontanen und die Berufung der Jesuiten an die höheren Lehranstalten von Luzern steigerten den Parteienhass aufs höchste. Im Vertrauen auf Freischaren aus anderen Kantonen versuchten die Luzerner Radikalen am 8. Dezember 1844, die klerikale Regierung mit Gewalt zu beseitigen. Das Unternehmen scheiterte kläglich und wurde von den konservativen Kräften dazu benutzt, durch Einkerkerungen, Verbannungen und Gütereinziehungen ihre Gegner zu vernichten. Ebenso wurde ein Angriff von Freischärlern unter dem früheren Luzerner Regierungsrat Robert Steiger und dem Berner Ulrich Ochsenbein auf Luzern in der Nacht vom 31. März auf den 1.April 1845 blutig abgewehrt. Auf der Flucht wurden 104 Freischärler erschlagen und ca. 1800 gefangen genommen.

Die Gründung des Sonderbundes 

Die Furcht vor weiteren Freischarenzügen und die Ermordung des konservativen Politikers Josef Leu durch einen Freischärler veranlassten die konservativen Kantone im Dezember 1845 einen förmlichen Bund abzuschliessen und denselben zum etwaigen Widerstand gegen widerrechtliche Beschlüsse der Tagsatzung militärisch zu organisieren. Der Bundesvertrag von 1815 hatte das Bestehen der Klöster garantiert. Zudem befürchteten die konservativen Kantone Einmischungen eines liberal regierten Bundesstaates in ihre bisherigen Kompetenzen. Die Stimmung im katholischen Volk wurde durch Politiker und Priester weiter angeheizt, da man ihm verkündete, der katholische Glaube würde durch die liberalen Kantone bedroht. Insbesondere in der Innerschweiz zog die Bevölkerung eine Parallele zu dem blutigen Einmarsch der Franzosen 1798 und befürchtete das Schlimmste.

Die Reaktion der Liberalen Kantone

Sobald die Existenz und der Inhalt des anfangs geheim gehaltenen Bündnisses bekannt wurde, beantragte Zürich im Sommer 1846 bei der Tagsatzung, den Sonderbund gemäss dem Bundesvertrag für aufgelöst zu erklären. Der Antrag erhielt aber erst die erforderliche Mehrheit der Stimmen der Kantone, nachdem im Juli 1847 in Genf und St. Gallen die liberale Partei an die Macht gekommen war. Zusätzlich wurde eine Revision des Bundesvertrages und die Ausweisung des Jesuitenordens aus der Schweiz beschlossen. Da die sieben Sonderbundskantone, auf Österreichs und Frankreichs Hilfe vertrauend, allen Mahnungen und Vermittlungsversuchen unzugänglich blieben und eifrig aufrüsteten, entschied sich die Tagsatzung zu Bern am 4. November 1847 zur Anwendung von Waffengewalt. Zwar stand die gewaltsame Auflösung des Sonderbundes gestützt auf den 1815 aus konservativem Zeitgeist heraus entstandenen Bundesvertrag juristisch auf wackligem Fundament. Die liberalen Kantone waren indes nicht bereit, sich in diesem rechtlichen Aspekt unterzuordnen.



Der Krieg​


Taktik und Strategie der Gegner

Eine Besonderheit des Sonderbundkrieges bestand darin, dass keine eigentliche Entscheidungsschlacht mit grossen Heereskonzentrationen und einer entsprechend hohen Zahl an Gefallenen stattfand. General Dufour versuchte vielmehr, zur Vermeidung eines lang anhaltenden Mehrfrontenkrieges die Kämpfe schnell und möglichst ohne Blutvergiessen zu beenden. Deshalb griff er die Sonderbundskantone nacheinander, von verschiedenen Richtungen aus, mit einer punktuell massiv konzentrierten  Truppenübermacht an. Dies sollte den jeweiligen Gegner derart einschüchtern, dass er möglichst kampflos kapitulierte. Diese Strategie  führte, über die ganze Eidgenossenschaft verteilt, zu einer Reihe von kleineren und mittleren Gefechten aus denen die eidgenössischen Truppen am Ende siegreich hervorgingen. Während der Auseinandersetzungen achtete Dufour streng auf die Einhaltung humanitärer Grundsätze bei den Kampfhandlungen. Der überlieferte Grundsatz von General Dufour „Il faut sortir de cette lutte non seulement victorieux, mais aussi sans reproche“ („Wir müssen aus diesem Kampf nicht nur siegreich, sondern auch ohne Vorwurf hervorgehen.“) galt als Führungsmaxime an seine unterstellten Kommandanten. Durch ihre geographische Lage eingeschlossen, sah die Planung  der Sonderbundstruppen vor, von Luzern aus das aargauische Freiamt anzugreifen und nach Norden durchzubrechen. Sie wollten eine Bresche zwischen die eidgenössischen Orte Zürich und Bern schlagen und durch die ihnen zugewandten Freien Ämter und die Grafschaft Baden bis ins ebenfalls katholisch-konservative Südbaden (Deutschland) marschieren. Von dieser sicheren Position aus sollten anschliessend die entscheidenden Vorstösse gegen Bern und Zürich ausgeführt werden. Diese Planung scheiterte aufgrund militärischer Fehler und Zufällen. Bei zwei Gefechten wurden die Innerschweizer in ihrem Vormarsch gestoppt und verloren damit den Krieg.

Die Kämpfe

Das eidgenössische Heer von 7 Divisionen unter General Guillaume-Henri Dufour zählte ohne Landsturm 98861 Mann, das Heer des Sonderbundes mit Landsturm 84949. Die Kantone Appenzell-Innerrhoden und Neuenburg erklärten ihre Neutralität und schickten keine Truppen. Die Kriegshandlungen wurden durch den Einfall der Sonderbundstruppen ins Tessin am 3. November eröffnet. Am 12. November erfolgte ein weiterer Vorstoss ins Aargauische Freiamt. Beide Vorstösse scheiterten jedoch. Im Tessin zogen sich die Truppen (trotz anfänglicher Erfolge) nach dem Tod ihrer führenden Offiziere demoralisiert über den Gotthard zurück. Im Freiamt trafen die Sonderbundstruppen bei den Gefechten von Geltwil und Lunnern auf die Verbände der eidgenössischen Armee. Diese beiden Gefechte endeten wie bereits erwähnt ohne entscheidenden Sieg der Angreifer im allgemeinen beiderseitigen Chaos.


Die eidgenössische Armee begann nun mit ihrer Offensive und rückte ab dem 11. November gegen die Sonderbundskantone vor.Zuerst wurde am 14. November das vom restlichen Sonderbund isolierte Freiburg zur Kapitulation gezwungen, dann begann die Planung, gegen Luzern, die Hochburg des Sonderbundes, vorzugehen. Während die Operation gegen Luzern vorbereitet wurde, kam die Meldung, dass am 17. November eine Kolonne der Sonderbundstruppen den Gotthard überquert und in mehreren Kämpfen die eidgenössischen Truppen im Tessin in die Flucht geschlagen hatte.Am 21. November kapitulierte Zug kampflos vor den heranrückenden eidgenössischen Truppen. Am 22. November begann der Angriff gegen Luzern. Die von Johann-Ulrich von Salis-Soglio befehligten Truppen des Sonderbundes wurden am 23. November bei Gisikon, Meierskappel und Schüpfheim besiegt. Die Hauptmacht des Sonderbundes stand bei diesen finalen Kämpfen bei Gislikon, wo die eidgenössischen Truppen durch das energische Eingreifen des Obersten Eduard Ziegler von Zürich einen unblutigen Sieg errangen. Luzern kapitulierte daraufhin und wurde besetzt.

Schon am 24. November hielt Dufour unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in Luzern. Regierung, Priesterpartei und General von Salis-Soglio flohen auf einem Dampfschiff nach Flüelen. Die übrigen Innerschweizer Kantone des Sonderbunds beschlossen am Tag darauf bei einer Konferenz in Brunnen ebenfalls die Kapitulation. Als letzter Kanton ergab sich am 1. Dezember das Wallis. 

Folgen des Krieges

Der Krieg, der 25 Tage dauerte, war vorbei. Die eidgenössische Armee hatte 74 Tote und 377 Verwundete, der Sonderbund nur 39 Tote und 175 Verwundete. Die Jesuiten wurden ausgewiesen. Die Verfassungen und Regierungen in den besiegten Kantonen wurden durch die Kriegssieger in liberalem Sinn revidiert. Die Kriegskosten, etwa 6 Millionen Franken, wurden den unterworfenen Kantonen aufgebürdet, die sie in Raten abzahlen mussten. Die in Luzern wieder an die Macht gelangten Liberalen lösten zur Schuldentilgung weitere Klöster im Kanton auf. Neuenburg hatte zur Strafe für Nichtbeteiligung am Kriege 300000 Fr., Appenzell I. Rh. 15000 Fr. zu zahlen, Diese Strafzahlungen bildeten den Anfang zu einem militärischen Invaliden- und Pensionsfonds. 1852 erliess die Bundesversammlung den Rest der Kriegskosten von 3334000 Fr.

Eine Kollektivnote Österreichs, Preussens, Frankreichs und Russlands vom 18. Januar 1848 erklärte allerdings, dass diese Mächte keine Veränderung der Bundesakte von 1815 zulassen würden, die mit der Souveränität der Kantone in Widerspruch stehe. Die von den Kriegssiegern beherrschte Tagsatzung wies mit Entschiedenheit diese Einmischung zurück. Aufgrund der angespannten innenpolitischen Lage in Frankreich (Februarrevolution) und in Deutschland (Märzrevolution) blieben Konsequenzen jedoch aus.

Die Verfassung von 1848

Der Ausgang des Sonderbundkrieges entschied auch über den Sieg der Bundesrevision: Die Tagsatzung beschloss unter Missachtung der Revisionsregeln im geltenden Bundesvertrag (der für Vertragsänderungen, wie bei einem Staatenbund üblich, Einstimmigkeit oder zumindest Geltung der geänderten Regelungen nur für die zustimmenden Stände erforderte) nach dem Muster der USA die in ihren Grundzügen bis heute bestehende Bundesverfassung. Nach dieser Veränderung bildete die Schweiz anstelle des von den souveränen Kantonen gebildeten losen Staatenbundes einen fester gefügten Bundesstaat ohne Austrittsrecht einzelner Kantone.