Die Proklamation der Helvetischen Republik 1798
Auf dem Wiener Kongress von 1814 - 1815 versammelten sich die europäischen Fürsten und Staatsmänner, um die Verhältnisse in Europa nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo neu zu ordnen und ein neues Gleichgewicht zwischen den Grossmächten zu schaffen. Zahlreichen Kleinstaaten (u.a. Venedig, Genua) wurde die Wiederherstellung verweigert. Ebenso wenig kam man dem Wunsch der polnischen, deutschen und italienischen Patrioten nach Nationalstaaten entgegen. Unter diesen Umständen konnte die Schweiz froh sein, im Wesentlichen in ihren Grenzen von 1798 wieder hergestellt zu werden.
Der Aufstand gegen die Helvetische Republik in Nidwalden
Die Urschweiz war bei der Gründung nicht dabei und lehnte die Helvetische Republik ab. Man wolte sich die neue Verfassung und den zentralistischen Einheitsstaat nicht von den Franzosen aufzwingen lassen. Die Revolutionäre aber versuchten die neue Ordnung mit Hilfe von französischen Truppen durchzusetzen, Uri, Glarus und Schwyz nahmen die Helvetische Verfassung vom 28. 3. 1798 erst an, als die Franzosen in grosser Überzahl anrückten und sie keine Hilfe fanden. Nidwalden wehrte sich bis zuletzt, 368 Nidwaldner, darunter 102 Frauen und 25 Kinder fanden den Tod, Stans wurde erobert und ging in Flammen auf. Viele Kinder wurden zu Waisen. Die helvetische Regierung errichtete in einem ehemaligen Kloster ein Waisenhaus unter Leitung des berühmten Erziehers Johann Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827), der zum Vater der allgemeinen Volksschulbildung in der Schweiz wurde.
Graubünden blieb unabhängig bis 1799. Das Direktorium der Helvetischen Republik schloss mit Frankreich ein Militärbündnis ab. Man wollte die Helvetische Republik gegen reaktionäre Kräfte (vor allem Österreich-Ungarn) absichern, aber in Wirklichkeit wurde die Helvetische Republik durch das Bündnis in die Napoleonischen Kriege hinein gezogen.
Besetzung durch französische, österreichische und russische Truppen
Der französische General Napoleon Bonaparte hatte Italien im 1. Koalitionskrieg (1792-1797) gegen die Koalition von England, Österreich, Spanien und Deutschland erobert und 1797 die Cisalpinische Republik in Norditalien gegründet, der sich u.a. die Bündner Untertanengebiete (Veltlin, Bormio) anschlossen. 1799 putschte sich Napoleon mit einem Staatsstreich in Frankreich an die Macht. Im 2. Koalitionskrieg (1799-1802) zwischen Frankreich und den Gegnern England, Österreich, Russland wurden Süddeutschland und Norditalien und - seit Jahrhunderten nicht mehr gekannt - die Schweiz zu Hauptkriegsschauplätzen. Die Österreicher gewannen eine erste Schlacht bei Zürich, die Franzosen dagegen die zweite, während der russische General Suworow eine Armee von 25'000 Soldaten von Italien über die verschneiten Alpen heranführte, aber zu spät kam. Bei der Überquerung des Gotthardpasses, des Kinzigkulm (zwischen Uri und Muotathal SZ), des Pragel-Passes (zwischen Muotathal und Glarus) und des Panixerpasses (zwischen Glarus und Ilanz GR, Fluchtweg nach der Niederlage der Österreicher) starben 10'000 Mann. In der gegen die Helvetische Republik eingestellten Zentralschweiz wird die Erinnerung an General Suworow bis heute hoch gehalten.
Die Helvetische Republik brachte Fortschritte
Die Fortschritte der Helvetik lassen sich durchaus sehen. Nicht nur wurden die Leibeigenschaft und die politischen Untertanenverhältnisse endlich abgeschafft, es wurde auch nach dem Vorbild des französischen "code penal" ein einheitliches Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt, das zahlreiche mittelalterliche Rechtsvorschriften ablöste und unter anderem endlich die Folter abschaffte. Die Volksschulbildung wurde stark verbessert - voll wirksam wurde dies allerdings erst über mehrere Generationen von Schülern hinweg, so dass die Voraussetzungen für eine moderne Demokratie eigentlich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtig geschaffen wurden. Eingeführt wurde auch (ein erstes Mal) der Schweizer Franken, der als Einheitswährung einen grossen Münzwirrwarr ablöste.
Die Helvetische Republik - ein gescheitertes Experiment
Wie schon die Französische Revolution zuvor, konnte auch die Helvetische Republik ihre Versprechen nur zum Teil einlösen. Dafür sind verschiedene Ursachen verantwortlich: Die Vertreter des Ancien Regime, vor allem in der Zentralschweiz, liessen keine Gelegenheit aus, um die neue Ordnung zu bekämpfen und zu destabilisieren.Die Napoleonischen Kriege mit der Einquartierung und der Ernährung von Tausenden von Soldaten auf Kosten der einheimischen Landbevölkerung zehrten die Ressourcen der Schweiz auf.Das zentralistische System hatte keinerlei historische Tradition in der Schweiz und wurde von einer Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert.Die Bauern in den ehemaligen Untertanengebieten hatten Freiheit gefordert, aber sie wollten viel eher gleichberechtigt in das bestehende System der Eidgenossenschaft aufgenommen werden als sich auf einen radikalen Systemwechsel mit seinen Experimenten einzulassen. Freiheit bedeutete für das einfache Volk "machen, was einem beliebt" und "keine Abgaben und Steuern mehr an die Städte bezahlen". Selbst die intellektuellen Führer der Revolution wie Peter Ochs, Frédéric-César de Laharpe usw. hatten sich nicht wirklich überlegt, wie ein funktionierendes neues (gerechtes) Steuersystem aussehen sollte. Aber ein Staat kommt nun einmal bis heute nicht ohne Steuern aus und die Helvetische Republik scheiterte denn auch vor allem daran, dass sie ohne gesunde finanzielle Basis nicht funktionieren konnte und im Chaos versank.
Die Helvetische Republik versinkt im Chaos (1802)
Die französische und die helvetische Republik gewannen den zweiten Koalitionskrieg 1799, aber sie verloren den Frieden: Frankreich wurde eine Militärdiktatur des Generals Napoleon Bonaparte, die Helvetische Republik erlebte mindestens vier Staatsstreiche zwischen 1800 und 1802 und ging im inneren Chaos unter. Als Napoleon die französischen Truppen im Juli 1802 aus der Schweiz abzog, sahen die Föderalisten ihre Zeit gekommen: am 1. August 1802 versammelten sich die Landleute von Schwyz, Nidwalden und Obwalden zur althergebrachten Landsgemeinde. Appenzell, Glarus und Graubünden stellten ebenfalls ihre alten kantonalen Institutionen wieder her. Selbst die Stadt Zürich stellte sich gegen die Helvetische Regierung. Vertreter des Ancien Regime kehrten aus dem ausländischen Exil zurück und führten mit Stecken und Werkzeugen behelfsmässig bewaffnete Bauern gegen die helvetischen Truppen in einen Bürgerkrieg ("Stecklikrieg"). Sie erobertern den Aargau und Bern und kamen bis Payerne.