vrha

Die Mediationsverfassung von 1803

Die Die Helvetik von 1798 war schon 1802 an ihrem sturen Zentralismus gescheitert und im Chaos eines Bürgerkriegs untergegangen.


In diesem Moment griff der französische Militärdiktator und spätere Kaiser Napoleon Bonaparte ein, verlangte das sofortige Ende des Bürgerkriegs und rief Delegationen der Revolutionäre wie der Reaktionäre [Anhänger der alten Ordnung] zu Verhandlungen nach Paris. Im Oktober 1802 kamen erneut französische Truppen in die Schweiz und entwaffneten die Aufständischen in der Zentralschweiz. Napoleon hatte sich allerdings schon früher mit der Situation in der Schweiz vertraut gemacht und begriff deshalb, dass der zentralistische Einheitsstaat in der Schweiz angesichts der grossen sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede und Gegensätze keine Chance hatte. Deshalb legte er einen föderalistischen [bundesstaatlichen] Verfassungsentwurf vor.

Die gängige Bezeichnung
Mediation [Vermittlung] beschreibt die Rolle Napoleons allerdings kaum zutreffend, wenn auch Napoleon selbst sich gerne als Vermittler darstellte. In Wirklichkeit war die als Die Mediation betitelte neue Verfassung für die Schweiz weitest gehend ein Diktat Napoleons. Die Mediationsakte gab den grössten Teil der staatlichen Kompetenzen an die 19 Kantone der neuen Eidgenossenschaft ab und eliminierte sowohl das nationale Parlament als auch die Zentralregierung. Die Tagsatzung als nichtständige Konferenz der Kantone wurde wieder eingeführt. Einzig die Aussenpolitik sollte dem Bund vorbehalten bleiben.

War also wieder alles wie vor der Revolution von 1798? Bei weitem nicht! Zunächst einmal zählte die Schweiz der Mediationszeit nebst den 13 Orten von 1513 sechs neue, gleichberechtigte Kantone: St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt. Zudem hielt die Mediationsakte ausdrücklich die politische und rechtliche Gleichheit aller Bürger fest. Die 19 Kantonsverfassungen bildeten den grössten Teil der Mediations-Verfassung. Nidwalden und Obwalden traten nun auch gegen aussen als selbstständige Halbkantone auf. Der Jura, Genf und Neuenburg blieben aber Frankreich einverleibt, das Wallis wurde 1810 von Frankreich annektiert [einverleibt].

Während kleine Kantone wie Appenzell, Glarus mit wenigen knappen Bestimmungen die althergebrachte Organisation (mit Landsgemeinde) wieder in Kraft setzten, übernahmen andere die Institutionen der parlamentarischen Demokratie von der Helvetik. Dabei fällt auf, dass die Verfassungen grosser Kantone wie Basel und Bern sich fast gleichen wie ein Ei dem anderen, was die Vermutung nahelegt, dass hier nicht wirklich kantonale Eigenheiten berücksichtigt sondern ein Kompromiss zwischen Revolutionären und Reaktionären festgeschrieben (bzw. von Napoleon diktiert) wurde. Immerhin zeigt das Beispiel des Kantons Aargau, wieviel Spielraum für eigene Bestimmungen blieb, wenn sich nur die Vertreter dieses Kantons darauf zu einigen vermochten.


Noch grössere Abhängigkeit von Frankreich


Die Abhängigkeit der Schweiz von Frankreich nahm aber noch zu. Napoleon zwang die Schweiz 16'000 Soldaten für seine Armeen zu stellen und bei der Finanzierung seiner Kriege mitzuhelfen. Auf seinem Russlandfeldzug 1812 scheiterte Napoleon am russischen Winter und an Nachschubproblemen, von ca 12'000 Schweizer Soldaten in seiner Russland - Armee überlebten nur 300, das bekannte Beresinalied gibt ihre Stimmung wieder. Bei allen berechtigten Vorbehalten und aller Abneigung gegenüber Diktatoren muss man Napoleon zugute gehalten werden, dass er für Frankreich und für weite Teile Europas mit dem Zivilgesetzbuch (Code Civil) von 1804 ein wesentliches Element des modernen Rechtsstaates schuf.

England, Russland, Preussen und Österreich verbündeten sich erneut, um den angeschlagenen Napoleon in die Schranken zu weisen, aber auch, um die aus heutiger Sicht wegweisenden Errungenschaften der Französischen Revolution (Liberté, Égalité, Fraternité: Freiheit = Abschaffung der Leibeigenschaft, Gleichheit aller vor dem Gesetz und Brüderlichkeit = Solidarität, soziale Gerechtigkeit) rückgängig zu machen. Ende 1813, nach der Niederlage Napoleons, rückten 130'000 russische und österreichische Soldaten in die Schweiz ein. Zeitweise hatten Kaiser Alexander von Russland, Kaiser Franz von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preussen ihr Hauptquartier in Basel. Napoleon wurde auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt. Er kehrte nach einem Jahr zurück, wurde 1815 bei Waterloo endgültig besiegt, und auf die Insel St. Helena im Süd-atlantik verbannt.

Die Schweizer Tagsatzung beeilte sich, auf die Seite der Sieger zu wechseln und hob die Mediationsverfassung von 1803 auf, worauf alsogleich der Streit über die neue Ordnung ausbrach. In Luzern und Bern gelangten durch Staatsstreich Vertreter der alten Patrizierfamilien wieder an die Macht. Bern, Uri, Schwyz und Graubünden versuchten, die alten Untertanenverhältnisse wieder herzustellen, drangen damit aber nicht durch.

Share by: