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Die Herrgottsgrenadiere



Die Herrgottsgrenadiere verleihen den kirchlichen Prozessionen an Fronleichnahm, am darauf folgenden Sonntag (Segenssonntag) und an den Kirchweihfesten mit ihren historischen Uniformen ein ganz besonderes Gepräge. Die Uniformen gehen in ihrer Ausstattung und Farbgebung auf die fremden Kriegsdienste zurück. Teilweise bestehen sie auch aus früheren Ausrüstungen der Schweizer Armee oder der jeweiligen kantonalen Formationen vor 1848.

Der Ursprung

Die militärische Eskortierung wichtiger Personen oder Ereignisse hat in Europa eine lange Tradition. Sie diente in gleicher Weise der Ehrerbietung gegenüber dem weltlichen wie dem göttlichen Herrscher. Im Lötschental beispielsweise scheint der Soldatenaufzug an Prozessionen in historischen Uniformen auf die fremden Kriegsdienste, speziell der Neapolitanischen und Napoleonischen Zeit um 1750 bis 1815 zurück zu gehen.


Für diese Art des Broterwerbs liessen sich aufgrund der schwierigen Lebensumstände in den Alpentälern nicht wenige Schweizer während Jahrhunderten und bis zum eidgenössischen Verbot von 1859 rekrutieren. Die heimgekehrten Söldner wussten um die Wirkung der Uniformierung auch bei religiösen Anlässen. Prunkvolle Manifestationen wie etwa die alljährliche Prozession vom 8. September nach Santa Maria di Piedigrotta in Neapel mit einem Aufzug von gegen 20'000 Soldaten waren ihnen ein Vorbild für die Gestaltung religiöser Feste zu Hause. 


Rückzug über die Beresina

Das auffallendste Merkmal ist der rote Uniformrock mit den weissen Epauletten (Schulterstücken) und dem weissen Wehrgehänge mit Säbel und Patronentaschen. Einen Blickfang stellen auch die verschiedenen Kopfbedeckungen (meist schwarze Bärenfellmützen) mit hohen Federbüschen oder bunten Kokarden dar. Diese Uniformierung geht, neben dem neapolitanischen Vorbild, auch auf die vier Schweizer Regimenter zurück die unter Napoleon im Russlandfeldzug dienten. Diese opferten sich auf, indem sie unter schrecklichen Verlusten (ohne Munition mit dem blanken Bajonett kämpfend) den Rückzug der “Grande Armé“ über die Beresina gegen die angreifenden Kosaken deckten, während viele Einheiten der französischen Armee sich absetzten und über die beiden Behelfsbrücken zu fliehen versuchten. Beim Appell am nächsten Morgen zählten die vier Regimenter von 12000 Mann noch 300 Überlebende, die Verwundeten mitgerechnet. Vom 4. Regiment waren noch 67 Mann übrig. Als Napoleon in der Folge die Fahnen der Überreste seiner Armee verbrennen liess durften die Schweizer als einzige ihre Feldzeichen behalten und als Ehrenzeichen nach Hause zurückbringen. Diese Fahnen sind noch Heute in den Kirchen der Bergtäler, insbesondere im Wallis ausgestellt.

                                                                                                                                                                           

Geschichte


Für das Tragen alter Söldneruniformen an kirchlichen Feiertagen gibt es zahlreiche Belege. Unter anderem schrieb der Toggenburger Landschaftsmaler Rudolf Bühlmann 1835 in seinem Reisebericht: „So habe ich in diesen Dörfchen über 1 Dutzend meist französische Uniformen worunter auch eine Husarenuniform aus der Zeit Napoleons vor oder unter den Fenstern gesehen, um sie gut auszutrocknen, weil sie letzten Sonntag bey der Prozession getragen wurden.“ Die Uniformen aus fremden Kriegsdiensten vererbten sich von Generation zu Generation. Doch musste ab dem späten 19. Jahrhundert der seit 1860 ausbleibende Uniformnachschub mithilfe von Neuanfertigungen oder Zukäufen aus andern Regionen ersetzt werden. So liess man sich 1883 die Herstellung von 150 Uniformröcken die für die damalige Zeit ausserordentlich hohe Summe von 12'000 Franken kosten. Vermutlich erst in dieser Zeit begann sich das Bild des Grenadierzugs an den Prozessionen zu vereinheitlichen.

Spezielles Markenzeichen

Wieso der Lötschentaler Prozessionsaufzug im späten 19. Jahrhundert an den historischen Uniformen festhielt und nicht, wie andernorts üblich, zur Militäruniform der Schweizer Armee griff, muss offen bleiben. Fest steht, dass das Verharren in der alten Brauchform deren Attraktivität beträchtlich steigerte. Die nach dem Modell neapolitanischer und napoleonischer Söldneruniformen geschneiderten rotweissen Uniformen machten das „Tal der Täler“ – im Verbund mit Masken und Trachten – in der ganzen Schweiz und darüber hinaus bekannt. Zur touristischen Attraktion wurde die Fronleichnamsprozession mit dem Soldatenaufzug insbesondere nach der Eröffnung des Lötschbergtunnels 1913. Und mit August Kerns Film „Die Herrgottsgrenadiere“ erhielten die roten Soldaten im Jahre 1932 jene Bezeichnung, unter der sie inzwischen einen über die Landesgrenzen hinaus reichenden Bekanntheitsgrad erhalten haben.


Regionale Eigenheiten


Einzug der Herrgottsgrenadiere ins Städtchen Willisau

Abweichend davon, finden sich je nach den regionalen geschichtlichen Hintergründen anders konzipierte Uniformen und Formationen. In der Region des Luzerner Hinterlandes, in Willisau beispielsweise, dominiert nach einer Neuuniformierung eine orange-gelbe Farbgebung der Uniformen. Hier geht die militärische Ehrenformation auf die Sage des so genannten Heiligblutwunders zurück. Ergänzt wird sie zusätzlich durch eine Batterie der Herrgottskanoniere die in den Uniformen der Eidgenössischen Ordonanz von 1898 gekleidet ist. Diese unterstützt morgens, während den jeweiligen Stationen der Kirchfeiern und Prozessionen, diese durch Ehrensalute, bevor sie sich am Sonntag um die Mittagszeit in das Defilee mit den Grenadieren und der Marschmusik durch das alte Städtchen einfügt.

        

Kanonengespann der Herrgottskanoniere